Es war lange Zeit nicht klar, ob ein Artikel zu diesem Thema in Computerform überhaupt sinnvoll ist, denn bildliche Beispiele sind über den Computer nur in speziellen Fällen sichtbar. Das liegt an der Tatsache, dass der Monitor, vor dem der Leser sitzt, im besten Fall nur Bilder mit 8 bit pro Farbkanal darstellen kann, meist sogar nur in 6 oder 7 bit, je nach Qualität und Alter des Displays. Dazu kommt, dass viele Browser und Bildbetrachter ebenfalls nur 8 bit darstellen können. Im Falle eines Direktvergleichs würde ein Foto in beiden Formaten komplett gleich auf dem Display aussehen. Der Grund, warum dann doch dieser Artikel hier steht, liegt in den Möglichkeiten, die, abweichend von der höheren Farbtiefe, entweder besser oder ausschliesslich mit dem RAW-Format durchführbar sind.
RAW vs. JPEG
Es hat schon fast etwas von religiösem Eifer, wenn man die Diskussionen Pro und Contra RAW-Format in den einschlägigen Foto-Foren mit verfolgt. „DAS“ Format für die Profis heißt es selbstbewußt auf der einen Seite. Speicherhungriger Schnickschnack verbunden mit zusätzlicher Arbeit argumentieren die Anderen. Aber wer hat Recht?
Die Antwort auf solche Grundsatzdiskussionen ist, wie meistens, von sybillischer Natur: Beide haben Recht! Es kommt halt darauf an, was schon in der Planung für das Foto an Nachbearbeitung vorgesehen war. Mal wieder eine leichte Antwort auf eine schwierige Frage, aber tatsächlich ist der Weg, den das endgültige Foto nehmen wird, das viel zitierte Zünglein an der Waage und der Grund, warum man sich für das eine oder andere Format entscheiden sollte.
Soll die Aufnahme im Internet veröffentlicht werden oder ist ein Printout in Postergröße geplant? Muss es schnell gehen oder hat man genügend Zeit, die Rohdaten akribisch zu entwickeln? Besitzt das abgebildete Motiv so viele (sichtbare) Farbabstufungen, dass sich eine Bearbeitung mit 10 bit bis 16 bit, je nach RAW-Format, auch lohnt? Wie hoch ist der Qualitätsunterschied und welche Optionen bieten beide Formate, Fehler des Fotografen per Software zu beheben?
Wie gewohnt, sollen auf diesem Blog diese Fragen praxisnah und amateurtauglich beantwortet werden.
Wenn Vergösserungen geplant sind, ist das RAW dem JPEG weit überlegen. Als Beispiel dient das nebenstehenden Foto, aus dem zwei Ausschnittsvergrößerungen (rotes Rechteck) erzeugt wurden. Einmal vom JPG (links) und einmal von der RAW-Datei (rechts). Der Ausschnitt des RAW-Bild wurde im RAW-Konverter erzeugt und dann wieder in ein JPEG exportiert. Vergrössert man die Ausschnitte mit einem Bildbetrachter, sind die JPEG-Kompressionseffekte (in diesem Fall Unschärfe) deutlich sichtbar. Die RAW-Vergrößerung ist wesentlich schärfer und detailreicher; das Typenschild gut erkennbar. Solche Ausschnittsvergrößerungen wie in dem hier gezeigten Beispiel sind aber eher grenzwertig und eignen sich lediglich zu Demonstrationszwecken.
Foto oder Aufnahme
Bevor auf diese beiden Optionen eingegangen wird, sollte man wissen, was eine handelsübliche digitale Kamera macht, wenn auf den Auslöser gedrückt wird. Richtig – ein Bild ! Ist die Kamera höherwertig oder eine DSLR, kann sie das Bild in zwei verschiedenen Formaten abspeichern – RAW und/oder JPEG. Übrigens – ein JPEG erhält der Fotograf IMMER, selbst wenn er als Speicherformat lediglich RAW ausgewählt hat. Dieses JPEG dient zur Abbildung auf dem kamerainternen Monitor – ein RAW-Bild kann nicht angezeigt werden.
Üblicherweise wird das Bild im JPEG-Format aufgenommen. Das Ergebnis ist ein Foto, in dem neben den reinen Bildinformationen parallel ein kompletter Bild-Entwicklungsprozeß abgearbeitet wurde. Im JPEG sind alle Arbeitsschritte, die der Fotograf vorher im Kameramenü oder per Programmautomatik festgelegt hat, bis zum fertigen Foto abgearbeitet. Weißabgleich, Farbsättigung, Farbraum, Kontrast, Schärfe, dazu noch die kamerainterne Software für Rauschunterdrückung, und Bildkorrekturen (D-Lightning und ähnliches) runden den Entwicklungsprozeß ab. Am Ende folgt eine Komprimierung, in der alle „störende Details“ verschwinden und das fertige Foto nur noch ca. ein Drittel der Speichergröße besitzt.
Zwar kann dieses JPEG mit handelsüblicher Software noch in den Bereichen Helligkeit, Kontrast und Farbintensität bearbeitet werden, aber die Möglichkeiten sind sehr begrenzt und das Ergebnis meist eher schlechter, als das ursprüngliche Foto.
Im Gegensatz zum fertigen JPEG, werden im RAW-Bild lediglich die reinen Bilddaten des Aufnahme-Chip gespeichert. Präzise betrachtet ist das RAW kein Foto, sondern eine Aufnahme des einfallenden Lichts auf den Sensor, aufgeteilt in Farbe und Lichtintensität. Das Rohdatenformat, abhängig vom Kamerahersteller mit abweichenden Endungen versehen (Beispiel: Nikon/nef), beinhaltet keinerlei verlustbehaftete Kompression. Der Augenmerk liegt hierbei auf „verlustbehaftet“, denn entgegen der landläufigen Meinung sind auch RAW-Daten bereits komprimiert. Die RAW-Daten enthalten lediglich Informationen zu Fokus, Blende, ISO und Belichtungszeit. JPEG-typische Verarbeitungsschritte sind nicht vorhanden. Die Dateien sind zwischen 200 und 300 Prozent größer und können nur über spezielle Konverter-Programme sichtbar gemacht werden. Die dafür notwendige Programme wie z. B. RawTherapee gibt es kostenlos im Internet; in kostenpflichtigen Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop oder Lightroom sind sie bereits implementiert.
Der sichtbare Unterschied
Zwar steht im RAW-Format ein vielfach größerer Farbraum zur Verfügung, aber das angezeigte Ergebnis ist meistens erst einmal nicht besser. Im direkten Vergleich zum JPEG wird oftmals sogar sichtbar, welche Arbeit die „Entwicklungsabteilung“ der Kamera geleistet hat. Kein Wunder, denn eine ganze Armee von Software-Entwicklern ist darum bemüht, selbst dem schlechtesten Fotografen noch ein brauchbares Bildergebnis zu bieten.
Und wie schon im Vorwort des Artikels erwähnt, hilft der Monitor beim Betrachten der Fotos auch nicht richtig weiter, denn er kann ebenfalls nur 8 bit pro Farbkanal anzeigen. Warum loben dann die Profis das RAW-Format über den Klee?
Wie schon in der Einleitung zu entnehmen war- es kommt bei einem Foto aus den Einsatzzweck an. Ein Foto-Druck auf 100 mal 70cm, offenbahrt schnell die Schwächen eines JPEG. Jetzt werden, im Gegensatz zum RAW, bei kleinen Bilddetails sogenannte Treppeneffekte und, durch die Komprimierung entstandene, Unschärfen sichtbar.
Ein weiters Beispiel für den Nutzen des RAW-Formats sind Ausschnittsvergrößerungen. Werden diese Crops direkt im RAW-Konverter erzeugt, sind die Details wesentlich schärfer, als auf einer JPEG-Vergrösserung. Selbst auf dem Bildschirm.
Die Königsdiziplin einer RAW-Aufnahme
Wer bis hierhin den Nutzen des Rohdatenformats angezweifelt hat, weil er entweder keine Vergrösserungen erzeugt oder seine Bilder lediglich auf dem Bildschirm betrachtet, der liegt gar nicht so falsch. Moderne Digitalkameras erzeugen mit ihrer Technik fast immer brauchbare Bildergebnisse im JPEG-Format und in mehr als Neunzig Prozent der Fälle ist das Foto ausreichend belichtet und gut gelungen.
Wenn die Belichtung daneben liegt, zeigt RAW, was alles möglich ist. Links ein JPEG, das etwas überlichtet ist. Wäre nur dieses Format auf der Speicherkarte gewesen, könnte man das Foto getrost in die Tonne hauen. Die kaum noch sichtbaren Bilddetails machen dem Fotografen definitiv keine Ehre, obwohl die Schuld für dieses Desaster lediglich einer kurzen Wolkenlücke zuzuschieben ist. Wäre dieses Foto eine „unwiederbringliche Momentaufnhame“, ist der Ärger groß. Rechts sieht man dann, was der RAW-Konverter aus dieser Aufnahme bei nur vorsichtigem Gebrauch der Entwicklungsmöglichkeiten macht. Das Ergebnis spricht für sich selbst.
Erst wenn eine unwiederbringliche „Momentaufnahme“ stark unter- oder überbelichtet ist, der eingestellte Weißabgleich total daneben liegt, die Blende/Iso-Einstellung im Grenzbereich nicht richtig gearbeitet hat oder die Farben unnatürlich wirken, schwingt sich das RAW-Format zum Retter des Fotografen auf. Die Möglichkeiten eines Raw-Konverters im Bereich Bildbearbeitung sind so ertaunlich, dass es fast schon an Magie grenzt, wenn aus einer mißlungenen Aufnahme ein schönes Bild entsteht. Nur scharf sollte das Rohmaterial schon sein, denn bei Unschärfe oder falscher Fokkussierung kann auch die Software keine Wunder vollbringen.
Prinzipiell führt bei der Nachbearbeitung eines RAW-Fotos der Fotograf alle Schritte selbst aus, die beim JPEG die Kamera-Technik erledigt hat. Allerdings besitzt er jetzt die Kontrolle über das Bildergebnis und kann Bereiche verdunkeln, aufhellen, den Farbraum verändern, den Weißabgleich richtig einstellen und noch viele andere Manipulationen durchführen, die das Bild letztendlich „schöner“ machen. Natürlich ist dieser „Entwicklungsprozeß“ zeit- und arbeitsintensiv, aber die Mühe wird oft mit einem gelungenen Foto belohnt, dass im JPEG nicht zu gebrauchen und als Löschopfer verplant war. Der „einmalige Moment“, für den die Kamera ja auch gedacht war, ist für immer festgehalten.
Bildbearbeitung des JPEG
Heutige Bildbearbeitungsprogramme sind wirklich nicht zu verachten. Selbst bei einem mißlungenen JPEG sind genug Manipulationsmöglichkeiten vorhanden, um noch ein akzeptabeles Ergebnis zu erzielen. Gerade bei „Kunstaufnahmen“ wie Nightshots, HDR-Bildserien oder gezielt eingesetztes Licht kann auch ein JPEG umfassend bearbeitet werden. Anders sieht es bei Bildern aus, bei denen primär natürliches Licht und Farben eine Rolle spielen, wie z. B. bei der Potrait- oder Landschaftsfotografie. Zwar sind auch hier „brauchbare“ Bearbeitungsfilter für das JPEG vorhanden, aber das Ergebnis wird durch die nachträgliche Manipulation der Farbanteile und deren Zusammensetzung nur in den seltensten Fällen besser. Es ist halt ein komplett vorhandenes Bild, das verändert wird und jede Änderung wirkt sich folgerichtig auf das ganze Bild aus. In den meisten Fällen wird aber eine Bildbearbeitung im JPEG ebenfalls ausreichen, wenn die Belichtung noch genug Spielraum für Veränderungen bietet und sich die Farbechtheit nicht an der Wirklichkeit orientieren muß.
Farbtiefe und Warnehmung
Ein oft zu lesender Grund FÜR das RAW-Format ist die deutlich höhere Farbtiefe. Je nach Kamerahersteller und -Modell variiert diese von 10 bis 16 bit. Ein JPEG besitzt „nur“ 8 bit und sollte damit um ein Vielfaches weniger Farben darstellen können. Ist auch so, aber wenn man sich mal vorstellt, dass 8 bit Farbtiefe pro Farbkanal über 16 Millionen Farben ergeben, fragt man sich unwillkürlich, wer so etwas noch unterscheiden kann. Kurze Antwort – das kann niemand, denn auch dem menschlichen Auge sind Grenzen gesetzt. Auch das Argument, dass eine höhere Farbtiefe für weniger „Treppen“ an den Randzonen von Kontrasten sorgt, ist erst bei Sensorauflösungen von mehr als 30 Megapixel sichtbar. Bei dieser Sensorgröße und einem entsprechend hochwertigem Objetiv sind auf 70 * 100 Printouts tatsächlich weichere Randabstufungen zu erkennen – allerdings bei einem Sichtabstand von weniger als 30 Zentimetern. Die Zahl von Betrachtern, die ihre Nase so nah an ein Bild führen, dürfte verschwindend gering sein. Erbsenzähler mal ausgeschlossen.
Aufwand und Ergebnis.
Hat man/frau seine Neugier auf RAW mittels der Möglichkeiten einer eigenen Bildentwicklung gestillt, fragt man sich nach einigen Entwicklungsprozessen unwillkürlich, ob sich der Aufwand eigentlich lohnt. Im schlimmsten Fall gehen Stunden bei der Bearbeitung verloren und das Ergebnis sieht immer noch nicht so gut aus, wie das kameraentwicklete JPEG. Die Sachlage ist klar – der (Foto)Amateur arbeitet mit Parametern, die ihm weitgehend fremd sind, an einem Prozeß, für den ausgebildete Fotografen eine intensive Schulung bekommen haben. Es ist definitiv nicht leicht, ein Foto optimal zu entwickeln und mit zunehmender Erfahrung werden die Ergebnisse auch besser.
Aber man sollte schon das Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand im Auge behalten. Wer stundenlang ein Bild entwickelt, nur um in etwas das gleiche Ergebnis wie die JPEG-Aufnahme zu erreichen, mag zwar einiges über Fotobearbeitung gelernt haben, aber wirklich produktiv war es nicht. Das alles ändert sich dramatisch, wenn es um große Ausdrucke geht. Zwar spielt dann immer noch der Betrachtungsabstand eine Rolle, aber bei einem Nah-Check wird der Unterschied sichtbar. Knackscharf, optimal ausgeleuchtet und mit dem „passenden“ Weißabgleich versehen, wird der Ausdruck zur Visitenkarte eines kompetenten Fotografen – auch wenn es nur im Amateurbereich ist.
Für Fotografen, die auf Ausdrucke verzichten und hauptsächlich im Web veröffentlichen, ist der Arbeitsaufwand nur dann gerechtfertigt, wenn die JPEG´s wegen falscher Belichtung unbrauchbar sind. Hier lässt das RAW-Format noch einiges an Korrekturen zu und eine unwiederbringliche Momentaufnahme ist noch zu retten. Es kann also nicht schaden, in den Kameraeinstellungen den Punkt „zusätzlich als RAW speichern“ zu aktivieren – wenn die Speicherkarte groß genug ist.
Jürgen Olejok für photomatik.de / 2015