Es ist manchmal zum Haare raufen. Da will man seinen neu erstandenen AF-Linsensatz 24, 50 und 100mm von Minolta ausprobieren, packt in den Foto-Rucksack vielerlei Kram, den man EVENTUELL ja brauchen könnte, sucht stundenlang mit Google eine coole Location, fährt los und stellt beim Aufbau fest, dass der wichtigste Adapter für das Minolta-Glas zu Hause liegt. Super ! Ganz toll !!
Also wieder Stativ abbauen und den ganzen Tag als gebraucht abhaken. Nix ist mit fotografieren. Enttäuschung pur. Da fällt der Blick auf die olle Kitlinse, diesen Plastikbecher, der ja eigentlich nur noch angebaut wird, damit der Kamerasensor nicht verdreckt. Es ist nunmal kein Handschmeichler und das Tubusmaterial wirkt gegenüber den „Vollmetall-Ofenrohr-Objektiven“ der ersten Minolta AF-Generation (Zusammenarbeit mit Leica) nicht nur billig, sondern armselig. Kein Wunder, dass dieses Objektiv für ca. 100 € verramscht wird.
Da liegt sie nun in einem Fach, der Blick fällt darauf und für einen kurzen Moment meint man, dass sich die Linse zwischen dem edlen Minolta-Glas verkriechen will, damit man sie nicht für eine Aufnahme fordert. Egal, besser ein mittelprächtiges Foto als gar nichts und das 28-70 Sony wird angebaut. Die ersten Probeschüsse sind echte Fahrkarten, was aber daran liegt, dass der AF aktiviert ist. Bei Dunkelheit ist Autofokus grundsätzlich nicht die beste Idee. Also manuell einstellen. Das ist bei Sony-Objektiven eher der mühsame Weg, denn das focus by wire Verfahren funktioniert zwar, aber wenn man alte Objektive gewohnt ist, die präzise und schnell fokussieren, dauert das Sony-Verfahren ca. viermal so lang. Irgendwann ist aber alles scharf und der Auslöser gedrückt.
Das Ergebnis: ich werde nie wieder schlecht über dieses Objektiv reden, denn es machte in dieser „Notsituation“ genau das, was die Entwickler bei Sony im Sinn hatten – gute Abbildungsqualität mit lebhaften Farben fast über den gesamten Zoombereich bei Blende 5,6 und mit beeindruckender Tiefenschärfe.
Es ist tatsächlich so, dass man bei aller Liebe zu alten Objektiven mit Charakter irgendwann vergisst, dass neue Entwicklungen gerade im Bereich der Zoom-Objektive mit eindrucksvoller Präzision das Motiv abbilden. Okay, es ist Plastik und ja, man neigt dazu, es wegen der preiswerten Bauweise zu unterschätzen. Aber optisch ist das Glas (und Glas ist es tatsächlich) ein eindrucksvolles Zeugnis moderner Materialien, Beschichtung und sauberer Berechnung.
Wahrscheinlich wird die Kit-Linse nach diesem Tag wieder für lange Zeit im Fotorucksack verschwinden und unbeachtet bleiben. Das ist nunmal so, wenn man Minolta- und Zeiss-Fan ist. Aber ein Verkauf wird nie in Frage kommen und zum Beweis, dass dieses Objektiv durchaus eine Daseinsberechtigung besitzt, bekommt dieses Glas einen weiteren Foto-Platz auf diesem Blog. Gut gemacht, oller Plastikbecher – good Job.