Folgendes Problem kennt jeder Fotograf. Auf dem Kontrollmonitor der Kamera sah das Bild gut aus; Blinkwinkel auf das Motiv in Ordnung, Farben ok und die Aufahme scharf bis an den Rand. Beim sichten der Fotos am heimischen Rechner dann die Ernüchterung. Mangelnde Schärfe in Teilbereichen und mit einer Positionsveränderung um wenige Meter hätte man noch viel mehr aus dem Motiv herausgeholt. Ärgerlich. Hätte man doch den großen Monitor dabei gehabt.

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Nun, den 32 Zöller auf einer Fotosession mitzuschleppen ist nicht nur unpraktikabel, sondern scheitert bei Aussenaufnahmen auch an dem meist fehlenden 230 Volt Netzanschluß. Für ambitionierte Amateurfotografen, die einen Tablet-Computer besitzen, gibt es eine Lösung, die so manch spätere Enttäuschung verhindert – das Tethering. Das Tablet wird dabei zur Fernbedienung der Fotokamera und ermöglicht damit eine bessere Kontrolle der Aufnahmen.
Natürlich funktioniert das auch mit diversen Smartphones, aber ob es wirklich Sinn macht, den 3-Zoll-Kamera-Monitor gegen ein 5-Zoll Handydisplay zu ersetzen, bleibt fragwürdig. Mindestens 8 Zoll sollten schon zur Verfügung stehen; 10-12 Zoll sind empfehlenswert. Dabei ist es egal, welches Betriebssystem auf dem Tablet installiert ist, denn es gibt die Programme für Android, Windows und Linux. Alles was man sonst noch benötigt, ist ein passendes USB-Kabel, um die fernbedienungsfähige Kamera mit dem Tablet zu verbinden. Die Programme zur Fernsteuerung sind entweder kostenlos (Windows/Linux) oder zumindest für einen geringen Betrag (Android) erhältlich.

Warum 10 Zoll oder größer?

Nach der Aufnahme sollte in der Vorschau eine ausreichend große Darstellung des Fotos vorhanden sein, ohne das noch in das Bild gezoomt wird. Bei kleineren Displays fokusiert das Auge mehr, es stellt sich selbstständig „scharf“ und betrügt uns ein wenig in der Wahrnehmung. Übrigens der gleiche Effekt, wie bei der Kontrolle am Kameramonitor. Bei einem größeren Abbild erfasst unser Gehirn eher das ganze Foto und entlarvt so auch die kleinsten Fehler in der Motiv-Komposition. Ausserdem wird ein kleineres Bild auf den ersten Blick immer schärfer aussehen, als ein größeres – unabhängig von der Pixelanzahl der Displays. Für die absolute Schärfekontrolle ist natürlich ein zoomen in die Details des Fotos notwendig und ist mit zwei Fingern auf einem Tablet schnell gemacht.

Sehen, was man macht

Zur Grundausrüstung eines jeden Fotografen gehört bekanntlich eine Taschenlampe. Nicht unbedingt, um bei Dunkelheit den richtigen Weg zu finden, sondernauch, um bei schlechten Lichtverhältnissen die Kameraeinstellungen zu verändern. Dumm nur, wenn man in einer Gruppe von Fotografen gerade Langzeitbelichtungen macht und das Licht einer Taschenlampe das Ergebnis bei einem selbst oder beim Nachbarn versaut. Auch hier zeigt sich der Vorteil einer Fernsteuerung. Das Licht des Tablet-Displays ist wesentlich diffuser, stört weder die eigene Aufnahme noch jemand anderes und alle Bedienelemente sind gut zu erkennen. Ausserdem wird die sorgsam eingestellte Kameraposition nicht durch Fumelei an der Kamera selbst beeinträchtigt – ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ein gutes Stativ und eine GUTE Tablet-Halterung vorausgesetzt, wird der Bild-Ausschuß wesentlich geringer ausfallen.

Stabilitättablethalterung

Es gibt mitlerweile eine große Auswahl an Tablet-Haltern. Ob am Blitzschuh oder am Stativ befestigt – eine ausreichende Stabilität, gerade beim rumtippen auf dem Display, ist der Garant für den erfolgreichen Einsatz. Halter mit Schwanhals sind nicht empfehlenswert, da sie eine starke Schwingneigung besitzen. Ein Tip: Tablet-Halter für Mikrofonständer lassen sich ohne Probleme an einem Stativ befestigen und sind auch für größere (und schwere) Tablets geeignet.

Die Programme

Selbst Lightroom bietet bekanntlich die Möglichkeit, mit Tethering zu arbeiten. Allerdings sind dessen Funktion eher rudimentär und nicht für den Ausseneinsatz beim Shooting geeignet, da nicht alle Kameraparameter verändert werden können. Auch ist ein kompletter Workflow für Fotos zwar eine feine Sache, auf dem Tablet aber nicht wirklich praktikabel. Zum Glück gibt es für alle Betriebssysteme mittlerweile Programme, die sämtliche Einstellungen einer Kamera steuern können, ohne unnötigen Bearbeitungsbalast mitzuschleppen. Die nachfolgend genannten Programme sind meist kostenlos, wobei die Entwickler nichts dagegen haben, wenn sich ein Nutzer mit 5 Dollar per Kreditkarte oder Paypal bei ihnen bedankt. Das muß aber jeder für sich selbst entscheiden.

Von kostenlos bis preiswert

Für alle, die windows 8 oder höher auf ihrem Tablet als Betriebssystem nutzen, ist das Programm DigiCamControl empfehlenswert. Mit der neuesten Version 2 steht ein recht ausgereiftes Programm zur Verfügung, dass weit mehr als eine reine Kamerasteuerung beinhaltet. Zusätzliche Filter und Designoptionen lassen sich über Plugins einbinden und erhöhen die kreativen Möglichkeiten beim fotografieren.
Für Android ist im Google-Store das App DSLR Controler erhältlich. Es kostet etwas über 7 Euro und kann neben den Canon-Modellen in der neuesten Version Nikon-Kameras der Mittelklasse steuern. Auch hier steht ein Pragramm bereit, das seit Jahren auf dem Markt ist und immer weiter verbessert wird. Die Bedienung ist genauso intuitiv wie bei DigiCamControl und bereitet selbst Anfängern keine Probleme.
Für Linux gibt derzeit es leider keine reine Kamerafernsteuerung, aber dafür, natürlich kostenlos, ein komplettes Foto-Workflow-Programm, welches im Gegensatz zu Lightroom, umfangreiche Einstellungs- und Steuerungsfunktionen über Tethering besitzt – Darktable. Für das beliebte Linux-Derivat Ubuntu steht im Software-Cebter dieses Programm als Download zur Verfügung.

USB-Host

Bei allen hier genannten Programmen ist es aber erforderlich, dass der Tablet-Computer oder das Smartphone einen USB-Host besitzt, also eine “echte” USB Schnittstelle. Bei preiswerten China-Tablets und älteren Smartphones ist diese Hardware-Funktion meist nicht implementiert und sind deshalb für das Tethering ungeeignet. Ein Blick in die Spezifikation schafft schnell Klarheit.

Artikel von Jürgen Olejok für photomatik.de /© 2016