Recherchiert man im weltweiten Netz zu diesem Objektiv, ist das Ergebnis sehr zwiespältig. Das hat zum Einen etwas damit zu tun, dass die Aussagen zu diesem Objektiv bezüglich der Abbildungsleistung schon auffällig in Richtung Jubelorgie tendieren und zum Anderen, dass es auf Grund der aufwändigen Konstruktion sehr anfällig für Beschädigungen ist. Der Kauf solch einer Linse mutiert tatsächlich zum Glücksspiel, denn wer kann schon die Nutzung des über 30 Jahre alten Objektivs nachvollziehen oder präzise Auskunft darüber geben, wie es behandelt worden ist und welche Stürze es überstanden hat (oder auch nicht). Persönliche Abholung und testen vor Ort ist hier der einzige und erfolgversprechende Weg, um ein mängelfreies Exemplar zu erstehen.
Hat man „sein“ Exemplar gefunden und damit einige Aufnahmen gemacht, weiß man relativ schnell, warum dieses Objektiv in der Abbildungsleistug zum Besten gehört, was Minolta je hergestellt hat. Es hat aber auch seine Tücken und es bedarf schon einiges an fotografischen Wissen, um es bis an die Grenzen zu nutzen.

An dieser Stelle soll auch das im Internet kursierende Gerücht überprüft werden, dass dieses Objektiv speziell in der Landschaftsfotografie fünf Festbrennweiten ersetzen könne. Das klingt erst einmal sehr ambitioniert, aber bekannterweise steckt in Gerüchten oftmals auch ein Körnchen Wahrheit. Um es vorweg zu nehmen – unter bestimmten (Licht)Voraussetzungen reicht es tatsächlich verdammt nah an Prime-Qualität heran.

Technik

Drei (!) ineinander verbaute Metall-Tuben bilden das Grundgerüst des mit 16 Linsen ausgestatteten Objektivs. Sie sorgen dafür, dass der komplette Zoom-Bereich von 28-135mm scharf und mit relativ geringen Verzeichnungen abgebildet werden kannn. Die Offenblende f4 (28mm) – f4,5 (135mm), erfordert einen hohen Lichteinfall und die Frontlinse (Filterdurchmesser 72mm) ist unüblich groß für die Minolta-Objektive dieser Zeit. Metall und Glas sorgen für ein Gewicht von ca. 750 Gramm und damit ist dieses Objektiv das schwerste im Minolta-AF-Programm für den Bereich Weitwinkel bis mittleres Tele. Die Naheinstellgrenze liegt bei ca. 1,5m – für Aufnahmen, die eine kürzerer Entfernung erfordern, gibt es die Möglichkeit, in einen Makro-Modus (1:4) umzuschalten.

Bild rechts: Das Minolta AF 28-135mm / f4-4,5 in Hochform. Für einen Objektiv-Test sind Bäume im Winter für den Bereich Kontrast und Schärfe eine gute Aufgabe. Dieser jahrhunderte alte Baum mit seiner Struktur fordert die Linsen geradezu heraus, ihre Höchstleistung zu bringen und wenn selbst die Wildgänse im Hintergrund noch scharf abgebildet sind, ist das Objektiv in perfektem Zustand. Die Aufnahmedaten sind vorhanden und für Pixel-Peeper ist das Foto in kompletter 24MP-Auflösung hinterlegt.

Das 28-135 funktioniert in Zusammenspiel mit einer A7 und LA-EA4-Adapter einwandfrei. Der Autofokus ist, für Schraubanschluß, relativ flott und äußerst treffsicher. Ein Vergleich zwischen AF und präziser, manueller Fokussierung ergab keinen sichtbaren Unterschied in der Schärfe.

Nachteile

Objektive, die den beliebten Brennweitenbereich von 28-135mm besitzen werden gerne und häufig als “Immerdrauf -Lösung” betitelt, um für alle erdenklichen Situationen die richtige Brennweite parat zu haben. Vorweg – dieses Objektiv ist dafür NICHT geeignet, denn es besitzt auch Nachteile, die dem Baujahr und den den damaligen Beschichtungen und Vergütungen geschuldet sind. Dazu gehören Flare-Anfälligkeit, chromatische Aberationen und Überstrahlung bei harten Kontrasten zwischen Hell und Dunkel. Hinzu kommt, dass dieses Glas bei Offenblende über den ganzen Zoom-Bereich zwar schon ausreichend scharf ist, aber der Kontrast nicht einmal ansatzweise an aktuellen Objektivkonstruktionen heranreicht. Zu allem Überfluss ist auch das Bokeh grenzwertig schlecht. Addiert man alle Probleme, die diese Objektiv mit sich bringt, zusammen, wird schnell klar – weder als Potrait-Linse noch als Alltags-Zoom ist es gut einsetzbar und erfüllt damit nicht die Forderung, in jeder Aufnahmesituation beste Bildergebnisse abzuliefern.

Bild links: Selbst Sonnenreflexionen im Wasser erzeugen schon Probleme durch Überstrahlung bei diesem Objektiv, aber mit ein wenig Abgleich von Aufnahmewinkel und Blende gelingen gute und comafreie Fotos. Bei starkem Gegenlicht ist das heute übliche „einfach draufhalten“ für das mehr als 30 Jahre alte Glas eine zu große Herausforderung – für den etablierten Landschaftsfotografen aber nur eine kleine Hürde, um das Motiv zu retten.

Abblenden

Ganz anders sieht es aus, wenn abgeblendet wird. Schon bei Blende 5,6 steigt der Kontrast enorm an und, je nach Brennweite, ist auch der Mikrokontrast ab Blende 6,3 perfekt. Das mag für den einen oder anderen Foto-Amateur, der viel Licht benötigt, schon etwas grenzwertig sein, aber für Landschaft-Fotografen, die meist bei guten Lichtverhältissen oder sowieso mit Stativ arbeiten, ist es vollkommen ausreichend. Hinzu kommt die bereits oben erwähnte Schärfe, die ab Blende 5,6 für ein Zoom-Objektiv schon richtig gut ist und ab Blende 8 über den kompletten Bereich nicht einmal ansatzweise Anlaß zur Kritik gibt. Flares und Aberationen werden ebenfalls mit steigendem Blendenwert gut korregiert. Einzig das Überstrahlen bleibt, minimiert, als Problem bestehen, kann aber in der RAW-Entwicklung recht gut bearbeitet werden.
Ist man als Landschaftsfotograf unterwegs und möchte mit nur einem Objektiv maximale Freiheit bei der Brennweite haben, ist das Minolta-AF-28-135mm uneingeschränkt die beste Wahl. Lediglich Sonnenlicht, direkt von vorn oder seitlich schräg, sollte bei diesem Objektiv vermieden werden und da es keine originale Gegenlichtblende gibt, ist eine zusätzliche Schraubblende (72mm) eine gute Investition.

Bild rechts: Bei „normalen“ Lichtverhältnissen ist in der Landschaftsfotografie ein großer Blendenwert selbst ohne Stativ wirklich kein Problem. Die dadurch erreichbare Tiefenschärfe erzeugt bei diesem Objektiv sogar einen dreidimensionalen Bild-Effekt, den man eigentlich nur von einem anderen Objektiv-Hersteller und ausschliesslich von deren Festbrennweiten her kennt. Auch dieses Foto ist in voller Auflösung hinterlegt und kann gern genauer unter die Lupe genommen werden.

Schärfe im Vergleich

Interessant war, wie sich das Zoom gegen Festbrennweitenn schlagen wird. Aus diesem Grund wurde ein Vergleichstest mit den im Besitz befindlichen Prime-Objektiven gestartet. Ich erspare mir an dieser Stelle die Präsentation langweilige Bilder von Buchregalen, Backsteinmauern und Grundstücks-Hecken, weil sie niemals als ultimativer Beweis taugen. Serienstreuung und Zustand können (stark) abweichende Ergebnisse erzeugen. Als Beispiel möchte ich hier artaphot und KurtMunger nennen, deren Bildergebnnisse, basierend auf die Sony A-Mount-Kameras, von meinen Fotos mit der Sony A7 aufgenommen, so oft abweichen, dass die Aussagekraft der dort hinterlegten Testfotos arg in Frage gestellt werden darf. Deshalb an dieser Stelle lediglich eine kurze Zusammenfassung der ermittelten Ergebnisse.
Im Vergleich mit Festbrennweiten bei 28mm, 35mm, 50mm, 85mm, 100mm schneidet das 28-135mm Zoom gut ab. Mit dem Sony 28/f2 kann das Zoom bei seiner Anfangsbrennweite und Blende nicht mithalten, aber ab Blende 8 sind kaum noch Unterschiede bei 90 Prozent Bildausschnitt zu erkennen. Das gleiche Ergebnis zeigt sich im Test gegen das Minolta AF 35/f2. Allerdings sind hier schon bei Blende 6,3 fast 90 Prozent Bildausschnitt so gut, dass es schon extremes Pixel-Peeping nötig macht, um die Unterschiede zu erkennen. Bei 50mm (gegen Sony 50/f1.8) ist über den kompletten Bildbeich bei Blende 5.6 nur ganz in den Ecken eine abweichende Schärfe erkennbar. Das gleiche gilt für den Vergleich zum Sony 85mm/f2.8. Gegen das Minolta 100mm/f2.8 ist die gleiche Bildschärfe erst wieder bei Blende 8 zu erkennen, aber dieses Prime-Objektiv ist nun wirklich ein echter Outperformer. Für die 135mm war keine Festbrenweite vorhanden und deshalb wurde das Minolta 70-210/f4 zum Vergleich herangezogen. Erst ab 130mm wurden Unterschiede an den Rändern deutlich. Es ist nicht überraschend, dass bei dieser Brennnweite das Tele-Zoom als Sieger hervorgeht, denn sowohl beim Kontrast, als auch bei der Schärfe gehört das Beercan in diesem Brennweitenbereich zum Besten, was der Objektiv-Markt zu bieten hat.

Bild oben: Scharf und schärfer. Abgeblendet ist das 28-135mm Minolta-AF-Zoom eine sichere Bank, wenn es scharf werden soll. Bei voller Auflösung sieht man gegenüber einem Prime-Objektiv der gleichen Brennweite allerdings die etwas niedrigere Fokus-Tiefe. Kontrast und Abbildungsqualität sind aber auf gleichem Niveau. Fotografiert mit LA-EA4-Adapter und aktiviertem Autofokus, der bei diesem Objektiv zu 99 Prozent trifft.

Verzeichnungen

Die Verzeichnungen im Anfang- und Endbrennweitenbereich unterscheiden sich nur minimal von aktuellen Zoom-Objektiven vergleichbarer Brennweitenbereiche und lassen sich gut korrigieren. Im direkten Vergleich zum Canon 28-135mm/f3.5-5.6 USM, welches sich als Gebrauchtware in der gleichen “Preisklasse” tummelt, sind die Verzeichnungen des Minolta bei 28mm etwas kräftiger und bei 135mm deutlich geringer. Da das 28-135 in der Profildatenbank der meisten RAW-Konverter zu finden ist, ein eher theoretisches Problem.

Schärfeebene

Eine Information, welche immer wieder bei solchen Vergleichen zwischen Zoom gegen Festbrennweite durch Abwesenheit glänzt, für den Fotografen der Landschaftsfotografie aber wichtig ist, bezieht sich auf die Schärfeebene. Grundsätzlich ist die Tiefenschärfe bei Prime-Gläsern deutlich höher, als bei Zoom-Objektiven. Die Auswirkung ist dann sichtbar, wenn nicht auf ein zweidimensionales Testchart fotografiert wird, sondern auch einzelne Objekte ausserhalb der scharf gestellten Fokusebene zu sehen sind. Bei dem Minolta-Zoom fällt auf, dass an den Bildrändern die Tiefenschärfe bei Brennweiten von 28mm bis 50mm etwas schlechter ausfällt, aber ab 70mm das Niveau der im Vergleichstest genutzten Festbrennweiten erreicht.

Bild oben: Der minimal mögliche Winkel zur Sonne, ohne das Flares und Coma ein Foto unbrauchbar machen. Das Kraftwerk ist ca. 800 Meter weit vom Aufnahmeort entfernt und dieses Foto revidiert die Aussage mancher Forianer, dass das Objektiv Probleme mit der Schärfe bei Einstellung „unendlich“ hat. Die schwarzen Punkte zwischen Kirchturm und Kraftwerksblock sind übrigens kein Dreck auf dem Sensor oder der Linse, wie anfangs befürchtet, sondern Vögel.

Fazit

In einem anderen Sachgebiet würde man das Minolta-AF-28-135 wahrscheinlich als Diva bezeichnen. Es kann, wenn es die Umstände zulassen, eine Qualität liefern, die auch im Vergleich zu aktuellen Gläsern dem Fotografen ein Grinsen ins Gesichtt meißelt. Wenn allerdings die (Foto)Bedingungen nicht stimmen, muß man schon etwas in die fotografische Trickkiste greifen, um brauchbare Bilder zu bekommen. Hinzu kommt, dass es auf Grund seiner Konstruktion nicht zu den „unkaputtbaren“ Objektiven der Ofenrohr-Generation gehört und eine gewisse Anfälligkeit gegenüber Nachlässigkeiten im Gebrauch an den Tag legt.
Wer bei unspektakulären Lichtbedingungen stark abgeblendet fotografiert und die RAW-Daten im Post-Prozess entwickelt, spart aber unter Umständen ca. fünf Prime-Objektive ein und erhält zumindest im Bereich Schärfe und Kontrast eine fast gleichwertige Abbildungsleistung. Bei einem Preis von knapp über 100€ und damit einem Bruchteil des Anschaffungspreises eines aktuellen Objektivs ähnlicher Brenweite, ist und bleibt es für Sparfüchse eine ernst zu nehmende Alternative. Für Landschaftsfotografen, die keine Probleme damit haben, den LA-EA4-Adapter zu nutzen, ist dieses Objektiv im Preis/Leistungs-Vergleich an der A7 mit 24 MP-Sensor definitiv konkurenzlos.

Ein Artikel von Jürgen Olejok für photomatik.de / 2021